header-default

Wie Stein beinahe eine Stadt wurde

OB KW20 OGK 03143 rathDas Steiner Rathaus im Jahr 1912 mit Fachwerkputz. FKSG-03143, Landesamt für Denkmalpflege, Karlsruhe.

Anfang des 19. Jahrhunderts fanden Verhandlungen mit der großherzoglich badischen Regierung statt, Stein in die Kategorie der Städte aufzunehmen.

Vorangegangen war die Überlegung der großherzoglichen Regierung im Jahre 1807, die Ortschaften mit Sitz eines Amtes oder Oberforstamtes, zur Stadt zu erheben. Da Stein schon lange Amtssitz war und noch länger Marktrechte besaß, stand es in der Liste der für eine Erhebung zu Städten in Frage kommenden Ortschaften – ebenso wie Königsbach. Die Aussicht, Stadt zu werden, wurde von der hiesigen Bürgerschaft lebhaft begrüßt. Das Oberamt führte im Juli 1808 eine Befragung der Bürgerschaft durch. 171 Bürger wurden „viritim“, d.h. „Mann für Mann“ befragt, wie sie sich zu diesem Plan stellten. Nicht einer erklärte sich dagegen.

Das hierüber aufgestellte und der Regierung zugeleitete Protokoll nimmt auch Stellung zu dem Plan, den Nachbarort Königsbach zur Stadt zu erheben. Es wird argumentiert, dass Stein viel eher als Königsbach den Anspruch auf Stadtrechte erheben könne, da es nicht nur Sitz mehrerer großherzoglicher Behörden sei, vier Tore habe und ein altes Recht zur Abhaltung eines jährlichen Vieh- und Krämermarktes, sondern auch wesentlich mehr Steuern zahle als Königsbach. Einen Monat später wiederholt Schultheiß Faßert und Anwalt Klotz in einem Schreiben an die großherzogliche „hochpreisliche“ Regierung die Bitte der Bürgerschaft um Stadtrechte. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, dass die Anwesenheit der großherzoglichen Behörden in Stein auch mancherlei Beschwerden mit sich bringe, weil „mancher Gang und manche Fuhre“ getan werden müsse, wovon andere Oerter befreit seien.

Wörtlich heißt es in diesem Schreiben weiter: „So mußten wir ferner erst diesen Winter, da die öffentliche Sicherheit durch herumziehende Räuberbanden sehr gefährdet, und mehrere verdächtige Personen beigefangen und gefänglich dahier eingezogen wurden, alle Nacht beständig 12 Mann blos um die Gefängnüße und Beamtenwohnungen patroulliren, und eine starke Wacht auf dem Rathaus sein, was auch eine große Beschwerde für die hiesige Gemeinde war, und sie daher einiger Begünstigung in dieser Hinsicht wohl würdig machte." Der Papierkrieg, der sich nun zwischen Stein, Königsbach und Karlsruhe erhob, nahm immer mehr den Charakter eines Konkurrenzkampfes zwischen den beiden Nachbargemeinden an.

Von beiden Seiten wurden alle möglichen Gründe angeführt, die gegen eine Erhebung des Nachbarortes zur Stadt und für die eigene Gemeinde sprachen. Stein führte u.a. an, dass der Wein in Königsbach viel billiger sei als in Stein und den anderen umliegenden Ortschaften, weshalb von weit und breit die Leute nach Königsbach strömten, um sich dort zu betrinken. Dadurch rückten die Königsbacher Wirte und Krämer in die Reihe der „Capitalisten und Handels-Leute“ auf, während die Steiner Geschäftsleute ein „Opfer der Armut“ würden. Außerdem sei die Handhabung der Gesetze in Königsbach viel weniger streng als in Stein, wodurch Königsbach die „Freystadt vieler policeywidriger Handlungen“ geworden sei. Es sei eine erwiesene Tatsache, daß fast alle in der Umgegend vorgefallenen Excesse ihren Ursprung in Königsbach hätten, während die Bewohner von Stein jederzeit rechtschaffene und treue Untertanen gewesen seien.


Viele der angeführten Argumente entsprangen lediglich dem Lokalpatriotismus der beiden Gemeinden, die Beweiskraft fehlte. Daher endete der erbitterte Kampf der Rivalen am 16. September 1808 mit dem Beschluß: „Sr. Königl. Hoheit haben wegen Erhebung der beiden Marktflecken Stein und Königsbach zu Städten die höchste Entschließung dahin erteilt, daß dieses Gesuch nicht stattfindet, diese Marktflecken aber bei ihren bisherigen Gerechtsamen, wodurch sie sich vor vielen andern Dorfgemeinden auszeichnen, belaßen werden sollen.“