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Der Steiner Wassertag am 13.05.1827

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Eine Tafel am alten Forsthaus/Domäne (heutige Volksbank) erinnert noch an den Wasserstand am Unglückstag.
FKSG-Nr. 1078, Original Herbert Nagel †

Noch viele erinnern sich an das Hochwasser, das in diesem Jahr (2016) die Ortsmitte von Stein heimgesucht hatte. Doch schon Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Steiner von einem schrecklichen Unwetter überrascht. Ein Eintrag im Kirchenbuch, eine Zeitungsartikel und die Niederschrift des Bürgermeisters Mößner von 1842 erzählen von dem Naturereignis, das so schlimme Folgen für die Steiner Bürger hatte.

Am 13. Mai des Jahres 1827 zog zwischen 17 und 18 Uhr von Nordosten ein Gewitter auf. Zunächst maß man diesem keine besondere Bedeutung bei. Aber in kürzester Zeit entwickelte es sich zum „von Donner, Blitz und Hagel begleiteten, seit Menschen Gedenken nicht erlebten Wolkenbruch“. Regen und Hagel fielen so stark, daß niemand sich auf die Straße wagte.

Von Göbrichen und Bauschlott kam über das Kohlloch eine Wasserflut, die alles mit sich riss. Das Wasser erreichte im Dorf eine Höhe von 14 Schuh und richtete eine unbeschreibliche Verwüstung an. Die Erdgeschosse der tiefer gelegenen Häuser wurden vollkommen überschwemmt, teilweise auch das darüber­ liegende Stockwerk in Mitleidenschaft gezogen.

In der großherzoglichen Domäneverwaltung, wo sich die Registratur befand, waren alle Räume mit Schlamm angefüllt. Papiere, Urkunden und Aufzeichnungen waren von Schlamm bedeckt und somit nicht mehr verwendbar.
Bei dem Unglück verloren 10 Menschen ihr Leben. Der 65jährige Johann Georg Müller, dessen Leiche erst fünf Wochen nach dem Unglück in Singen bei der Mühle gefunden wurde und drei Kinder der Familie Bernhard Kirchner, das jüngste davon erst zehn Monate und das älteste elf Jahre alt, kamen zu Tode. Die 15jährige Tochter des Daniel Zoller starb ebenso in den Fluten wie alle vier Kinder der Familie Gottlieb Kopp im Alter von ein bis zehn Jahren. Das erst dreijährige Söhnlein von Konrad Knappschneider fand man tot im Schloßpark der Freiherren von St. Andre in Königsbach auf.

Die Opfer des Unwetters wurden, soweit sie geborgen waren, am 15. Mai „unter einer unzählbaren Menge von auswärts herbeigeströmter Menschen“ auf dem Kirchhof bestattet. Aus der amtlichen Schadensliste geht hervor, dass insgesamt 233 Stück Vieh verloren gingen. Darunter 86 Stück Rindvieh, 12 Pferde, 4 Fohlen und 120 Schweine.

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An Gebäuden wurden eine Mühle und zehn Häuser mit Scheunen „von Grund auf, ohne nur eine Spur zu hinterlassen“ durch die Fluten weggerissen. 72 Häuser waren mehr oder weniger stark beschädigt, die Lebensmittelvorräte des Dorfes größtenteils vernichtet. Den größten Schaden erlitt der Dorfmüller Stieß. Er verlor sein gesamtes Hab und Gut im Wert von 1220 Gulden. An der inzwischen abgerissenen Dorfmühle erinnerte eine Inschrift auf dem Türsturz an das Unglück. Die Höhe des entstandenen Schadens in Stein wurde auf 117.000.- Gulden geschätzt. Der Verleger der „Karlsruher Zeitung“ erließ einen Aufruf, in dem die Leser zur Mithilfe aufgerufen wurden.

Die Katastrophe hatte tiefen Eindruck auf die Ortseinwohner gemacht. Jedes Jahr am 13. Mai begingen sie den „Gewitterfeiertag“ oder „Wassertag“ mit einem Gottesdienst am Vormittag, an dem die Frauen schwarz gekleidet teilnahmen und einer Betstunde am Abend, wobei der Hergang des Unglücks nochmals erzählt wurde. Dieser Gewitterfeiertag fand im Jahre 1927 zum letzten Mal statt. (Zusammenfassung von Georg Hehn.)

 

Erinnerungstafel an der ehemaligen Dorfmühle, die bei dem Hochwasser durch die Fluten hinweggerissen wurde.
FKSG-1228, Original Herbert Nagel (2000) †