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Der 30jährige Krieg

1618 entbrannte ein europäischer Konflikt, der zu einem dreißig Jahre andauernden Krieg werden sollte. Er spielte sich im so genannten Heilige Römische Reich ab, in dem es viele deutsche souveräne Einzelstaaten gab, die dem Kaiser zur gegenseitigen Treue verpflichtet waren. Durch die Reformation 1517 hatte sich die römisch-katholische Kirche in zwei Konfessionen – Katholiken (Katholische Liga) und Protestanten (Protestantische Union) – gespalten. Nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 stand es jedem Landesherrn zu, über die Konfession in seinem Land bestimmen zu dürfen. In der Markgrafschaft Baden-Durlach wurde durch Markgraf Karl II. im Juni 1556 die Reformation eingeführt. Erasmus von Venningen, der die Grundherrschaft über den größten Teil Königsbachs hatte, hatte schon zwei Jahre vorher Luthers Lehre in den Ort eingebracht. Er setzte kurzerhand den betagten katholischen Pfarrer Philipp Sterrer ab und den Prädikanten Magister Johann Voit an dessen Stelle ein.
Im Reich wurde der Religionsfrieden immer mehr missachtet, da die Kaiser als Habsburger katholisch geprägt waren und das Reich im eigenen Sinne umgestalten, sogar rekatholizieren wollten. Der Religionskrieg entbrannte und neben religiösen Konflikten mischten sich auch andere europäische Großmächte in die Angelegenheiten des Reiches ein – der Flächenbrand entstand.

Zerstörung Königsbachs 1622

Der Krieg erreichte Königsbach und Stein. Ein Durlacher Lehrer vom Ernestinum schrieb im August 1622 an einen Freund in Straßburg: „In unserer Gegend haben die Bayern und Kaiserlichen entsetzlich gehaust und sie tun es noch; sie haben geplündert, haben Dörfer verbrannt und eine Menge Unschuldiger niedergemetzelt. Liedolsheim, Königsbach, Neureuth, das feste Mühlburg samt seinem Schlosse, ferner die Orte Morsch, Muggensturm, Bühl, liegen fast ganz in Asche!”

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Die inzwischen protestantischen Bürger Königsbachs flüchteten beim Anrücken der feindlichen Soldaten in die Kirche. Diese war als Wehrkirche mit umlaufender fünf Meter hohen Mauer, die mit Schießscharten ausgestattet war und hinter der die Gaden mit Vorräten standen, durchaus zur Verteidigung ausgerichtet. Aber den Soldaten des Kaisers konnten selbst die starken Mauern nicht trotzen. Sie drangen in die Kirche ein und richteten ein entsetzliches Blutbad unter den darin befindlichen Königsbachern an, „so daß das Blut in Strömen abgeflossen sei”. Dann zündeten sie die Kirche an. Die Inneneinrichtung sowie die Dächer des Chores, des Langhauses und des Turmes wurden restlos vernichtet. Die Glocken auf dem Turm schmolzen in der Hitze des Feuers und das Metall floß auf den Kirchenboden herunter.

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links: Schießscharte an der Friedhofsmauer. Foto Peter Seiter 2015.
rechts: Postkarte der Königsbacher Kirche vom alten Friedhofsteil aus. Um 1900 / 1920. FKSG-00000, Original Helga Teuscher
unten links: Mauerreste des Steinhauses auf dem Hohberg (Steinhausberg, Schloßberg) im Jahr 1939. FKSG-00039, Original Landesamt für Denkmalpflege, Karlsruhe.

Einundvierzig neben der Kirche stehende Gaden brannten ebenfalls ab, zudem „das Mesnerhaus samt der Uhr”, das Pfarrhaus, das Rathaus, die Zehntscheuer, das große Amtshaus „des Junkers zu Königsbach”, das neu erbaute Steinhaus auf dem Hohberg mitsamt dem dazu gehörigen Keller. In diesem Keller lagen zwei Fässer mit je 15 Fuder, drei Fässer mit je zwölf Fuder, etliche mit fünf und acht mit je einem Fuder Wein. Anmerkung: Fuder war im Mittelalter eine Maßeinheit, mit der feste Stoffe und Flüssigkeiten gemessen wurden. Laut der vorliegenden Literatur (Lutz, Altwürttembergische Hohlmaße, Stgt. 1938, S. 173) orientierte sich in der Frühen Neuzeit das Maulbronner Fuder an der Brettener und Pforzheimer Eich (die auch für Königsbach gegolten haben sollte). Demnach waren 1 Fuder = 6 Eimer = 1078-1162 Liter. Gehen wir von 1100 Liter pro Fuder aus, kommen wir bei einem 15-Fuder-Faß auf 16.500 Liter. Das heißt, auf dem Steinhausberg lagen über 88.000 Liter Wein. Das ist schwer vorstellbar. Insgesamt wurden durch diesen Brand außer der Kirche 140 Wohnhäuser zerstört, 87 Scheunen und 54 Ställe. 100 Bürger mit ihren Familien verloren ihre Wohnungen, ihr Vieh und ihre Lebensmittelvorräte.

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Am 14.08.1957 erwähnte die Pforzheimer Zeitung diese Zerstörung in einem Artikel. Darin heißt es: „Im Jahre 1622 äscherten durchziehende bayerische und französische Truppen den Ort ein und richteten unter den in die Kirche geflüchteten Einwohnern ein furchtbares Blutbad an. Das beweisen heute hoch die vor einigen Monaten bei der Renovierung der evangelischen Kirche unterhalb der Eckmauern entdeckten zwei Massengräber, die aus jener Zeit stammen sollen. Nur wenige Leute, die sich noch rechtzeitig im „Großen Wald" versteckt hatten, entgingen dem Blutbad.” Es war im Mittelalter durchaus üblich, kirchliche Gemeinschaftsgräber anzulegen. Laut Jeff Klotz wurden bei der Kirche in Eisingen neben dem Chor ein Grab mit 50 Personen gefunden. Ob es sich beim Königsbacher Gräberfund auch um solche Gemeinschaftsgräber handelt oder ob der Fund sich Anfang des 17. Jahrhunderts zuordnen lässt, vom Arbeitskreis in Zusammenarbeit mit Jeff Klotz noch erforscht.

Zur Erinnerung an diese Katastrophe ließ Barbara Freifrau von Seckendorff (geb. von Venningen, Enkelin von Erasmus von Venningen und Ehefrau von Ernst von Seckendorff, der zu Beginn des Krieges die Grundherrschaft über Königsbach hatte) an der Friedhofsmauer einen Stein mit folgender Inschrift anbringen: „Es haben in diesem Jahr die bayrischen Soldaten die Kirch und die daneben stehenden Gebäude in Brand gesteckt, da dann alles im Rauch aufgegangen. Zu der Zeit kostete das Malter Dinkel 30 Taler, die Ohm Wein 100 Taler, ein Rind etwa 200 Taler. Der grundgütige Gott behüte uns und die lieben Unsrigen, daß wir solche betrübte Zeiten nicht mehr erleben.” Der Stein ist leider schon lange nicht mehr vorhanden. Der 1735-1742 in Pforzheim amtierende Dekan Philipp Bürcklin erwähnte ihn in einem Visitationsbericht als Königsbacher „Merkwürdigkeit”.