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Die Brandkatastrophe von 1857

OB KW49 OG 00660 fbFKSG-00660, Original unbek.
Marktplatz und Marktstraße, Zeichnung um 1850. Das große Gebäude in der Bildmitte ist das Gasthaus zur Krone, nach dem auch die Kronenstraße benannt ist. Der Eingang zum Gastraum befand sich über die Treppen auf Seite der Marktstraße. Kronenwirt war ab 1855 Johannes Fränkle (*1829 †1858), Küfermeister und Bierbrauermeister.Links das Haus des jüdischen Mitbürgers Jonas Maier, an dessen Dungstätte sich das Feuer selbst entzündet haben soll. Das Gebäude rechts ist der „Ochsen”, allerdings ohne Anbau rechts. Es war eines der wenigen Gebäude, das dem Brand standhielt. Wirt während der Brandnacht war ebenfalls ein Johannes Fränkle (*1831 †1872, Bauer, Landwirt und 1854-64 Ochsenwirt)

Im 19. Jahrhundert sind viele Städte und Dörfer von mehr oder weniger großen Brandkatastrophen heimgesucht worden. Ursache hierfür war meist die aus dem Mittelalter übernommene enge Bauweise, das Fehlen von Brandmauern und die Verwendung von leicht brennbarem Material beim Bau. Zwar gab es schon in den mittelalterlichen Dorfordnungen Vorschriften zur Verhütung und Bekämpfung von Brandunglück, aber die Anweisungen waren unzureichend und wurden nur unvollkommen eingehalten. Es gab noch keine geschulte Feuerwehr, keine ausreichende Feuerlöschtechnik und oft genug nur eine mangelhafte Versorgung mit Löschwasser. Vor Einführung der Elektrizität dienten zur Beleuchtung der Wohnungen und Wirtschaftsräume nur Wachslichter und die gefährlichen Petroleumlampen, die oftmals Auslöser für Brände waren. Auch unser Königsbach blieb nicht davon verschont – und das, nachdem es schon im dreißigjährigen Krieg von Tillys Truppen größtenteils niedergebrannt worden war.

Die Brandkatastrophe von 1857

Als am Sonntag, 1. August 1857 die Gottesdienstbesucher gegen 10:30 Uhr die Kirche verließen, sahen sie Richtung Singen im Tal Rauchwolken aufsteigen. Ein abgeerntetes Stoppelfeld war aus ungeklärter Ursache in Brand geraten und erfaßte auch das noch stehende Getreide des Nachbargrundstückes. Die Einwohner rannten aufs Feld und mit vereinten Kräften war das Feuer bald gelöscht.

Doch währenddessen entstand auf dem Misthaufen des Kaufmanns Jonas Maier am Marktplatz, vermutlich durch Selbstentzündung, erneut ein Feuer. Als die Leute mit Wasser herbeieilten, brannte schon die Scheuer mit ihren Stroh- und Heuvorräten. Ein Nordostwind trieb das Feuer nach mehreren Seiten auseinander.  Schnell stand von der Markt- bis zur Ankerstraße alles in Flammen. Da Tage zuvor die Ernte eingebracht worden war, fand das Feuer genügend Nahrung.

Gegen 17 Uhr brannte das halbe Dorf. Eine geordnete Brandbekämpfung fand nicht statt, jeder versuchte einfach, seinen Besitz vor den Flammen zu retten. Die einzelne, kleine Dorf-Feuerspritze war bei den Löschversuchen keine Hilfe, sie war zur Bekämpfung eines so großen Feuers einfach nicht geeignet. Großherzog Friedrich I wurde von dem Brand benachrichtigt. Er schickte sofort einige Schwadronen Dragoner nach Königsbach. In der Nacht kamen dazu noch Artillerieeinheiten und ein Regiment Füsiliere. Sie schützten das wenige gerettete Hab und Gut der Geschädigten vor Diebstählen und sorgten für Ordnung. 

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FKSG-04605, gemeinfrei. Friedrich I. von Baden (*1826 †1907) war 1852-1856 Regent und 1856-Tod 1907 Großherzog von Baden. Friedrich I. galt als sehr liberal und war Verfechter der konstitutionellen Monarchie. Unter seiner Regentschaft wurden in Baden viele wichtige und richtungweisende Reformen durchgeführt. Er war technisch und kulturell sehr interessiert. Er lies Wasserwege und Eisenbahnnetz den Anforderungen der Industriealisierung entsprechend ausbauen und schuf so die Grundlagen für den wirtschaftlichen Wohlstand im Südwesten Deutschlands. Nach ihm wurde die Friedrichstraße in Königsbach benannt.

 

Ebenfalls in der Brandnacht, gegen 21 Uhr, erschien der Großherzog persönlich in Königsbach, um die Brandstätte zu besichtigen. Er stellte 200 Gulden zur Linderung der ersten Not zur Verfügung. Die männliche Bevölkerung der umliegenden Ortschaften wurden angewiesen, zwei Wochen lang beim Freilegen der Straßen und Wegräumen der verkohlten Balken zu helfen.

Insgesamt waren 31 Wohnhäuser mit 32 Scheunen und 31 anderen Nebengebäuden abgebrannt. Das war eine Katastrophe, denn nur fünf Einwohner waren damals gegen Brandschaden versichert. 76 Familien mit 312 Personen waren obdachlos geworden. Es dauerte mehrere Tage, bis alle eine Unterkunft gefunden hatten. Die Aufräumarbeiten dauerten Monate. Der damalige Pfarrer August Gräbener schrieb in seiner Schilderung des Brandunglücks: „Der Schaden mag wohl gegen 120.000 Gulden betragen haben. Doch verhütete es Gottes Güte, daß wir den Verlust eines Menschenlebens zu beklagen hatten. Auch waren nur einige Schweine, Hühner, Gänse u.s.w. und weniges Vieh bei der Feuersbrunst umgekommen”. Die übrig gebliebenen Häuser des waren bald derart mit Obdachlosen überfüllt, daß die Regierung eingreifen mußte, um Epidemien zu vermeiden. Sie beschlagnahmte dafür alle noch verfügbaren größeren Säle und Räume.

Brot und Mehl wurde knapp, so daß sich die Lebensmittel verteuerten. Allerdings nur für kurze Zeit, denn die umliegenden Orte brachten ganze Fuhren mit Lebensmitteln und Brot nach Königsbach. Im ganzen badischen Land und auch in Württemberg wurden Geldsammlungen von Vereinen, Zeitungen, Organisationen, christlichen Verbänden und Gemeinden veranstaltet, um den Wiederaufbau der Gemeinde Königsbach zu ermöglichen. Eine Kollekte im Mittel- und Unterrheinkreis erbrachte 35.600 Gulden. Außerdem wurden mehr als 1000 Malter Früchte gesammelt. Aus ganz Baden gingen reiche Spenden an Lebensmitteln, Kleidung, Bettwerk und anderen Dingen ein. Auf Grund dieses verheerenden Brandes wurde drei Jahre später in Königsbach die Freiwillige Feuerwehr gegründet – als eine der ersten Feuerwehren des Landes.

Als man sich über den Wiederaufbau des zerstörten Ortsteils Gedanken machte, kam man zu der Erkenntnis, daß es nicht ratsam sei, die neuen Häuser auf die alten engen, winkligen und kleinen Plätze zu stellen. Es wurde Land hinzugekauft, auf Regierungskosten ein Bebauungsplan angefertigt und jedem Geschädigten ein neuer Bauplatz zugewiesen. Im Frühjahr 1858 wurde der Bau von 38 Wohnhäusern und 32 Scheuern fast gleichzeitig in Angriff genommen – sowohl um den Marktplatz und der Marktstraße als auch an der neu angelegten Straße. Am 7. April fand die Grundsteinlegung statt. Hierbei hielt Oberamtmann Spangenberg eine Rede und gab bekannt, daß die neue Straße zu Ehren des Großherzogs den Namen „Friedrichstraße” erhalten solle. Bei dieser Grundsteinlegung wurde sowohl eine zuvor verlesene Urkunde eingemauert, als auch Geldsorten, Früchte und Wein. Es darf nun spekuliert werden, ob und wo Urkunde etc. heute noch vergraben sind.