Mittwoch abends lud die Gemeinde die Sponsoren, Gemeinderäte und Helfer des Buches „50 Jahre Königsbach-Stein“ zu einer Buchvorstellung ein. Hier sind die Bilder davon.
Beim Ferienprogramm in Königsbach-Stein lernen Kinder, wie die Menschen in der Steinzeit gelebt haben. Dabei dürfen sie selbst ein Messer aus Feuerstein herstellen.
Bei jedem Abschleifen, bei jedem Kontakt zwischen Holz und Stein, landet mehr von dem feinen, hellbraunen Staub auf dem Tisch. Mit Hilfe von Sand- und Lavasteinen bringen die Kinder das Stück Pappelrinde in Form. Nach und nach wird es immer runder, wie ein Kreis, den man in der Mitte auseinandergeschnitten hat. Später soll er als Griff für eine Klinge aus Feuerstein dienen. Weil ihre Herstellung nicht ganz ungefährlich ist, hat Reiner Dick sie bereits vorbereitet. Einen ganzen Vormittag lang gibt er den Kindern einen Einblick in die Jungsteinzeit und zeigt ihnen, wie sie ihr eigenes Messer herstellen können.
Organisiert vom Freundeskreis Königsbach-Steiner Geschichte, ist das Ganze ein Teil des örtlichen Sommerferienprogramms, das bis Anfang September insgesamt rund 40 Aktionen zu bieten hat. Eine „reine Bastelstunde“ soll der Vormittag nicht sein, sondern die Kinder in Kontakt mit Naturmaterialien und alten Handwerkstechniken bringen. Als Mitglied des Heimatvereins Kraichgau und dessen Arbeitskreis für Archäologie nimmt Dick sie mit ins sogenannte Neolithikum, also in die Zeit, in der die Menschen sesshaft geworden sind, mit Ackerbau und Viehzucht begonnen haben. Was nach einer Klimaerwärmung im „fruchtbaren Halbmond“ am nördlichen Rand der Syrischen Wüste seinen Ausgang genommen hat, vollzieht sich durch Einwanderung etwa ab dem sechsten Jahrtausend vor Christus auch in der Region.
Dick weiß, dass es im Kraichgau und in der Vorbergzone am Rand des Schwarzwalds viele steinzeitliche Siedlungen gegeben hat, auch wegen des milden Klimas, der guten Durchquerbarkeit der Landschaft und der fruchtbaren Lössböden. Deutlich vor der Steinzeit, nämlich schon in der Eiszeit, haben saisonal sesshafte Jäger und Sammler rund um den kleinen Weiler Trais bei Königsbach kurzfristige Lagerplätze angelegt. Die Hintergründe hat der Freundeskreis Geschichte recherchiert und mit weiteren Informationen zu Trais in einem Buch zusammengetragen. Der Verein legt großen Wert auf eine wissenschaftliche Arbeitsweise und einen verantwortungsvollen Umgang mit Fakten. Deshalb ist auch das Messer, das Dick beim Ferienprogramm mit den Kindern herstellt, kein Fantasieprodukt, sondern durch archäologische Ausgrabungen nachgewiesen – und zwar in Feuchtbodensiedlungen, in denen sich auch organische Materialien erhalten haben. Die Klinge besteht aus Feuerstein, den Dick zuvor direkt und indirekt von einem Block geschlagen hat, unter anderem mit Klopfsteinen und Geweihschlegeln. Ein Unterfangen, das viel Übung verlangt und nicht ganz ungefährlich ist. Die fertige Klinge setzen die Kinder in einen Schlitz, den sie an der Unterseite des Griffs in das Pappelholz einarbeiten.
Befestigt wird sie mit einer pechschwarzen Mischung aus Harz, Bienenwachs und Holzkohlestaub, die in einem kleinen Topf vor sich hin köchelt. Sie hat dieselben Eigenschaften wie das Birkenpech, das man in der Steinzeit als Kleber genutzt hat. Als Dick den Deckel des Topfs öffnet und die blubbernde, siedend heiße Masse vorsichtig am Übergang zwischen Klinge und Griff aufbringt, breitet sich ein holziger, rauchiger Geruch aus.
Damit sie das Messer später um den Hals tragen können, sorgen die Kinder mit einem Feuersteinbohrer im Holz für ein kleines Loch, durch das ein Band gefädelt wird. Es besteht aus Bast, also aus den feinen Fasern, die beim Baum zwischen der Borke und dem Holz liegen. Durch Zwirnen entsteht aus ihnen eine Art Schnur, die sich auch hervorragend eignet, um Muscheln, Perlen und andere Schmuckstücke an ihr aufzufädeln. Dick will den Kindern zeigen, wie fortschrittlich die Steinzeit war und was die Menschen damals schon alles herstellen konnten. Etwa Gefäße aus Bast, aus Gräsern, Binsen und Rinde, einen Bohrer aus Holz und ein Beil, dessen Klinge aus Amphibolit besteht: ein Gestein, das unter anderem in den Alpen vorkommt.
Inzwischen hat Dick so viele Artefakte selbst hergestellt, dass man damit ein ganzes jungsteinzeitliches Dorf bestücken könnte. Wobei er betont, dass hinter jedem Stück 20 andere stehen, die nicht funktioniert haben. Denn das Ziel der experimentellen Archäologie ist es, Vorgehensweisen zu finden, die wiederholbar funktionieren. Schon vor geraumer Zeit hat man dafür beim Heimatverein Kraichgau einen eigenen Arbeitskreis ins Leben gerufen, der äußerst aktiv ist und vor rund 20 Jahren im Ötzi-Dorf zwei Häuser gebaut hat, die immer noch stehen.
Dick ist es ein großes Anliegen, sein Wissen an Kinder und Jugendliche weiterzugeben. Beim Ferienprogramm in Königsbach-Stein ist er beeindruckt, wie viel die Teilnehmer schon über die Steinzeit wissen: „Man hat es nur aus ihnen herauskitzeln müssen.“ Auch Susanne Kaiser-Asoronye zeigt sich „positiv überrascht“. Die Autorin, die zugleich Vorsitzende des Heimatvereins und des Freundeskreises Geschichte ist, findet es wichtig, jungen Menschen schon früh historisches Wissen zu vermitteln: nicht durch trockene Vorträge, sondern durch Aktionen, bei denen sie selbst aktiv werden dürfen.
Text: Nico Roller | Fotos Uwe Kaiser
Hier ein paar Impressionen von unserem Sommerfest. Schön wars.